Epilog zu Rassenhass von Firlefanzine
Aug. 14th, 2011 08:49 pm![[identity profile]](https://www.dreamwidth.org/img/silk/identity/openid.png)
![[community profile]](https://www.dreamwidth.org/img/silk/identity/community.png)
Epilog zu Rassenhass
von Firlefanzine
„Bitte bleib.“
Unwillig verzog er das Gesicht. Er blieb nie. Oder genauer gesagt, er komplementierte sie immer sehr schnell aus seiner Wohnung hinaus. Meistens konnte er einen Einsatz vorschieben. Ein paar Mal hatte Doyle, in seiner unnachahmlichen Art, das Mädchen direkt aus Bodie‘s Bett raus in einen kalten, aber freundlicheren Morgen getrieben. Ray hatte eine Art, den Mädchen zu vermitteln, daß es zu den fairen Regeln eines One Night Stands gehörte, daß man rechtzeitig wieder zu verschwinden hatte. Bodie versuchte wenigsten, die Sache etwas freundlicher in die Hand zu nehmen, aber es lief im Grunde auf das Gleiche raus. Wenn es gut gelaufen war, fragte er sie, ob er sie wieder anrufen könnte, manchmal ging so ein kleines Verhältnis auch mal über zwei bis drei Wochen. Aber irgendwann erwartete jede noch so – in Sachen Sex – emanzipierte Frau mehr von ihm, als er bereit war zu geben, und er zog sich zurück. Er war eigentlich ganz zufrieden damit, wie sein Sexualleben ablief, und den Frauen schien es ähnlich zu gehen, nur wenige machten ihm eine Szene, oder versuchten ihn mit Betteln und Weinen zum Bleiben zu bewegen. Sie waren alle vernünftige, erwachsene Singles, mit einem ganz normalen Bedürfnis nach Sex und Bestätigung. Alles war ganz easy.
Und von dieser hatte er es schon gar nicht erwartet. Er war gerade dabei gewesen, vorsichtig aus ihrem Bett zu klettern, aber jetzt drehte er sich um, und sah ihr ins Gesicht. Sie bettelte nicht. Offen sah sie ihm in die Augen. „Ich will es wissen.“
„Wissen? Was...?“
„Warum Du uns hasst.“
Er war verblüfft und unangenehm berührt. Was sollte das? Er hatte angenommen, daß er sie immer nett und ´gleich´ behandelt hatte. Sollte er jetzt etwa bei ihr bleiben, nur weil sie schwarz war, und sonst annehmen könnte, er würde nur sie so behandeln?
„Du solltest gemerkt haben, daß ich Dich nicht hasse.“
Er vermied es, sie noch einmal anzusehen und stützte sich an der Kommode ab, um sich daran hoch zu drücken.
Trotzdem durchzog ein stechender Schmerz seine Nierengegend und er zog scharf die Luft ein.
Ihr erster Impuls war, sofort aufzuspringen und nach seinen frisch verheilten Wunden zu sehen, aber sie legte sich wieder zurück und lehnte sich an die Wand.
Bodie brauchte einen Moment, bis er sich wieder im Griff hatte. Er murmelte: „Ich geh duschen“, und klaubte seine auf dem Boden verstreuten Sachen zusammen.
Sie sah ihm zu, wie er langsam Richtung Badezimmer ging, und sich nicht noch einmal nach ihr umdrehte.
Er würde schon zurechtkommen. Heute Nacht war er auch ganz gut zurechtgekommen! Sie als Krankenschwester hätte eigentlich wissen müssen, daß der Mann keinesfalls schon wieder für eine heiße Sex Nacht zu gebrauchen war, aber sie hatten Mittel und Wege gefunden, daß sie beide auf ihre Kosten gekommen waren ohne ihn zu sehr anzustrengen.
Sie besah sich ihre Hand, betrachtete ihre langen Finger, die helle Innenfläche, jede kleine Unebenheit. Es war eigenartig... Mal davon abgesehen, daß sie schwarz war. War sie anders als alle anderen Menschen? Sie konnte nie begreifen, wie nach so einer Nacht, in der sich anscheinend zwei Menschen so nahe gekommen waren, sich ohne viele Worte bis ins kleinste verstanden und ergänzten... Und nicht nur sexuell. Sie hatten auch gelacht und sich unterhalten, zusammen gegessen und getrunken, und es war anscheinend soviel Vertrautheit zwischen ihnen gewesen... Und morgens dann: ´Du warst toll! Ich ruf wieder an.´
Sie nahm sich zusammen. Das war im Moment nicht das Problem.
Sie hatte es schon immer wissen wollen. Es kränkte sie ungemein, daß man sie für minderwertig hielt, weil sie schwarz war. Sie hatte sich abgeschottet, und war immer vorsichtig, wenn sie mit Weißen zusammen war. Und sie hatte vorher noch nie mit einem weißen Mann geschlafen. Sie hätte es nicht ertragen, zurückgewiesen zu werden, immer in der Annahme, es wäre nur wegen ihrer Hautfarbe.
Bei Bodie hatten sie diesen Eindruck nicht. Sie hielt ihn für absolut ehrlich. Er hätte es ihr offen gesagt.
Und nur deshalb war sie jetzt hier.
Als er halb im Delirium im Krankenhaus eingeliefert worden war, hatte sein unbändiger Hass auf Schwarze sie vollkommen verängstigt und verunsichert. Aber sie hatte ihre Lektion früh gelernt. Äußerlich ruhig und besonnen hatte sie sich abwechselnd mit einer Kollegin rund um die Uhr um ihn gekümmert. Oft hatte er mit einer überraschenden Kraft nach ihrer Hand gegriffen und sie nicht wieder losgelassen, während er sich im Fieberwahn hin und her gewälzt hatte und wilde Verwünschungen ausgestoßen hatte. Sie war schockiert und gleichzeitig fasziniert gewesen.
Sein Freund hatte sie einmal aus seiner Umklammerung befreit, und sie entschuldigend angelächelt. „Er meint es nicht so, glauben Sie mir.“ Und als sie ihn zweifelnd angesehen hatte, hatte er weiter versucht, den Hass seines Freundes irgendwie zu rechtfertigen. „Er ist von zwei schwarzen Gangstern von hinten niedergestochen worden, da ist es doch verständlich...“ Er hatte selber gemerkt, wie lahm das klang, und sie war hinaus gegangen, um sich um ihre liegengebliebene Arbeit zu kümmern.
Und dann hatte er die Augen geöffnet. Und da war nichts! Kein Funken von Hass mehr. Er hatte sie angelächelt, so als wäre er einfach froh am Leben zu sein, so, als wüsste er, daß er es zum großen Teil ihrer Pflege zu verdanken hatte, als hätten sie beide zusammen um sein Leben gekämpft und gemeinsam gewonnen. Wenn sie nur einen Funken Menschenverstand besaß, dann lag da vor ihr ein Mann, der es vielleicht wert war...
Ihre Kollegin hatte etwas weniger freundliche Worte. „Er hat Dich angelächelt, weil er sich über seine nächste Beute gefreut hat. Kindchen wach auf. Weißt Du denn nicht, was das für Kerle sind? Und bei einer schnellen Nummer spielt die Hautfarbe dann auch keine Rolle mehr!“
Er hatte sich erstaunlich schnell erholt, und sie um ein gemeinsames Mittagessen gebeten.
Und sie hatte zugesagt.
Als er jetzt, nur in ein Handtuch gehüllt, aus dem Badezimmer kam, mußte sie unwillkürlich lächeln. Er sah so aus, als würde er unter allen Umständen wieder ins Bett gehören – so oder so.
Sie stand jetzt doch auf. „Komm, ich wechsle Dir den Verband, dann brauchst Du heute gar nicht ins Krankenhaus. Hast Du Deine Schmerztabletten schon genommen?“ Sie war jetzt ganz professionell bei der Sache, und ging zu ihrer Kommode, um ihr Blutdruckmessgerät zu holen.
Bodie ließ sich eigentlich ziemlich gerne bemuttern, und er vermied es auch so weit wie möglich, mit einem Krankenhaus in Kontakt zu kommen, also nahm er ihr Angebot gerne an, und setzte sich, mit der Lehne nach vorne, auf einen Stuhl.
Er hatte unter der Dusche hin und her überlegt, er hatte sogar in Erwägung gezogen, bei Ray anzurufen und ihn zu bitten, ihn hier rauszuholen. Aber Ray hatte mit seinen eigenen Verletzungen genug zu tun, und Bodie hatte auch das ungute Gefühl, er wäre ihr etwas schuldig. Bei dem Doc hatte er sich entschuldigt, aber bei ihr hatte er sich noch nicht einmal bedankt. Und dabei konnte man einen Patienten so oder so behandeln. Er wußte auch, daß sie länger bei ihm geblieben war, als sie gemerkt hatte, daß ihre Kollegin ihn unfreundlich und grob behandelt hatte. Er war also bereit, ihr Rede und Antwort zu stehen.
Jetzt saß er hier vor ihr, und wußte nicht, was sie von ihm erwartete. Sollte er anfangen? - oder vielleicht beharrte sie gar nicht darauf, daß er auf ihren Vorstoß eingehen würde. Aber bedanken mußte er sich auf jeden Fall...
Im Moment konzentrierte sie sich auf seinen Puls, und Bodie mußte unwillkürlich grinsen, als er daran dachte, in was für einer Situation ihm zum letzten Mal eine Ärztin in ihrem Schlafzimmer den Puls gemessen hatte. Einen Moment lang war er ganz in seinen angenehmen Erinnerungen gefangen.
Claire lächelte. „Ziehst Du Dir bitte etwas an? Irgendwie machst Du mich ganz nervös, und es kann sein, daß mein Bruder gleich kommt. Und wenn er dann einen nackten, weißen Mann mit einem Ständer in meinem Schlafzimmer sieht, kriegt er einen Schock fürs Leben."
Bodie wurde rot. Aber er beugte sich zu ihr rüber und gab ihr einen leichten Kuß in die Halsbeuge. „Entschuldige...“
Er zog sich Cordhose und Hemd an. Verlegen standen sie voreinander, wußten nicht, was der andere jetzt erwartete. Sie räusperte sich. „Wenn ich jetzt duschen gehe, und ein Frühstück mache – bist Du dann gleich noch hier? – Du könntest Dich solange auf die Couch legen, Du siehst verdammt fertig aus...“
„Ich werde da sein.“
Er wurde von Stimmen in der Küche geweckt. Er konnte Claire erkenne, und außerdem hörte er noch die Stimmen einer älteren Frau und eines kleinen Jungen. Er stand auf und ging ans Fenster. Anscheinend war es inzwischen später Nachmittag, er hatte also fast den ganzen Tag verschlafen. Aber er fühlte sich jetzt wirklich ausgeruhter als heute morgen.
Die Tür ging auf und Claire kam hinein. „Meine Mutter und mein Bruder sind da. Der Kuchen steht auf dem Tisch, möchtest Du mit uns zusammen essen?“
„Ich weiß nicht. Soll ich?“
„Das musst Du wissen...“
„Lieber nicht. Wenn Du beschäftigt bist, gehe ich dann.“
„Wie Du meinst.“
„Claire, ich wollte mich bei Dir bedanken, ich weiß nicht, ob ich es ohne Dich geschafft hätte... Und das andere.... War ich irgendwie beleidigend Dir gegenüber? Das täte mir aufrichtig leid...“
Aus der Küche rief eine aufgeregte Jungenstimme. „Claire, mir ist die Sahne umgekippt, Claire!“
„Ich komme!“ Sie war enttäuscht von ihm. Wenn er jetzt auch noch sagen würde ´ich rufe Dich an...´
„Du brauchst Dich nicht zu bedanken, Bodie. Das ist mein Job.“ Sie drehte sich um und ging zur Haustür, und er mußte ihr zwangsläufig folgen. Aus der Küche folgten ihnen neugierigen Blicke, und Bodie nickte kurz freundlich Claires Mutter zu. Wenige Augenblicke später stand er draußen vor der verschlossenen Tür.
Er beschloss, bei Ray vorbei zu fahren, um zu sehen, wie es ihm ging.
Claire lehnte mit der Stirn gegen die geschlossene Tür. Sie würde ihn nicht wiedersehen, da war sie sich ganz sicher. Aber sicher war sie sich auch, daß es nichts mit ihrer Hautfarbe zu tun hatte.
Ende
geschrieben im Januar 2009
~~~~
Titel: Epilog zu Rassenhass
Autor: Firlefanzine
Gen, Het oder Slash: Gen
Paar: nichts festes...
Anzahl Wörter: ~1700
Warnungen: nicht notwendig
Kurzbeschreibung: Bodie verbringt eine Nacht mit der Schwester, die ihn in 'Rassenhass' gesund gepflegt hat.
Disclaimer: 'Die Profis' gehören nicht mir.